Wo liegen nach Auffassung Ihres Verbandes die Stärken und Schwächen im Südtirol von heute?
Südtirol steht im Großen und Ganzen relativ gut da. Es gibt aber auch Probleme, die angegangen werden müssen. Das erste ist die Erreichbarkeit. Die Erreichbarkeit Südtirols mit dem PKW, Zug, Bus und Flugzeug.
Im öffentlichen Nahverkehr und bei den Zugverbindungen wurde letzthin recht viel investiert. Die Zugverbindungen zu den rätischen Bahnen im Westen und nach Cortina im Osten sind die nächsten Investitionsvorhaben, die geplant werden sollten. Natürlich ist auch der Flugplatz ein Thema für den HGV.
Diese Themen liegen aber vor allem in den Händen der Südtiroler Politik. Rom spielt dabei fast keine Rolle.
Unter welchen Problemen leiden die Unternehmen am meisten?
Die großen Probleme für die Betriebe sind die Bürokratie, die Überreglementierung und die übertriebenen Kontrollen. Die Verwaltungsschikanen werden dauernd schlimmer.
International gesehen ist die Bürokratie bei uns viel höher. Die Betriebe leiden auch unter der mangelnden Rentabilität. Während in den 70er und 80er Jahren die Unternehmen ordentlich Rücklagen und in die Zukunft investieren konnten, bleibt heutzutage kaum was übrig.
Auf der Kostenseite schlagen die Buchungsportale zu Buche, die fast schon bis zu 15% des Umsatzes aufwiegen.
Zusätzlich zu den hohen Kosten kommt noch die außergewöhnlich hohe Steuerbelastung.
Die Sicherheitsbestimmungen und die Hygienebestimmungen sind ebenso ein Problem. Sie
werden zwar von der EU geregelt, aber die einzelnen Staaten zeichnen für die Umsetzung und die Durchführung der Bestimmungen. Auch der HGV unterstreicht die Tatsache, dass die EU-Bestimmungen in Italien unpraktikabel und nur theoretisierend umgesetzt werden. Manfred Pinzger war selber einmal in der zuständigen Gesetzgebungskommission und kann nur bestätigen, dass die EU-Vorgaben 1:1 umgesetzt werden, meistens sogar verschärft, ohne aber die Anwendbarkeit der Bestimmungen zu prüfen und ohne die praktischen Auswirkungen auf die reale Wirtschaftswelt zu berücksichtigen. Ein bekanntes negatives Beispiel dafür war die Umsetzung der Umweltrichtlinien (SISTRI).
Gibt es auch Probleme bei der Aus- und Weiterbildung?
Ein weiteres großes Problem ist die Berufsausbildung und das Lehrlingswesen.
Und obwohl der Gastgewerbe-Sektor der einzige Bereich ist, wo Lehrlinge noch genau so stark wie früher gefragt sind, gibt es Schwierigkeiten mit der Arbeitssicherheit und den gesetzlichen Bestimmungen für die Einstellung von Lehrlingen. Dazu kommt noch, dass die Lehrlingskosten bei uns deutlich höher liegen als im restlichen Mitteleuropa: die Lehrlinge kosten bei uns rund 30% mehr als in der Schweiz, 40% mehr als in Österreich und fast das doppelte als in Deutschland.
Können die Probleme im Rahmen der derzeitigen Autonomie gelöst werden?
Die Autonomie könnte ausreichen, all diese Problemfelder in den Griff zu bekommen, wenn die Autonomie von Rom nicht immer wieder in Frage gestellt würde und wenn der Verfassungsgerichtshof nicht wie ein Damoklesschwert über unsere Autonomiepolitik hängen würde. Unter diesen Voraussetzungen ist es für unsere Wirtschaftspolitik schwierig zu planen.
Viele Unternehmen im Gastgewerbe haben auch Schwierigkeiten bei der „Hofübergabe“. Die Jugend ist nicht immer so stark motiviert, die Betriebe von den Eltern zu übernehmen, die heute unter der überbordenden Bürokratie und der mangelnden Rentabilität leiden.
Wie stehen Sie zu Steuerhoheit und weitergehenden souveränen Kompetenzen?
Wenn Südtirol die Steuerhoheit erhalten würde, wenn Südtirol die EU-Richtlinien selber und eigenständig umsetzen könnte, wenn Südtirol in Sachen Bürokratie und Verwaltungsapparat unabhängig von Italien wäre und auch ein eigenes Arbeitsrecht hätte und die oberste Gerichtsbarkeit nicht vom italienischen Verfassungsgerichtshof, sondern von einem paritätisch besetzten obersten EU-Gerichtshof in Brüssel abhängen würde, mit all dem würde man sich als HGV vollkommen einverstanden erklären.
Was wünschen Sie Sich für das Südtirol von 2025?
Für die Zukunft wünscht sich der HGV Obmann, dass alle Kompetenzen an das Land Südtirol übertragen werden, weil wir es besser richten können als der Zentralstaat.
Wichtig für die Zukunft ist aber auch das Festhalten an unserer Tradition und unserem Brauchtum. Unsere Tiroler Kultur und Identität muss erhalten bleiben, dies ist nicht nur wichtig für unser Wirtschaften, sondern dies wird immer auch eines seiner Herzensanliegen bleiben.